Anpassungsfähig
Die Evolution der Audiotechnik - aus der Sicht eines Service-Spezialisten
Audio-Service Ulrich Schierbecker GmbH, Hamburg
Bedauerlicherweise liegt es in der Natur technischer Gerätschaften jeglicher Art, nicht immer in der von Hersteller und Anwender erhofften Weise zu funktionieren - die professionelle Audiotechnik macht da bekanntlich keine Ausnahme. Der Grund für solches "Fehlverhalten" kann natürlich ein schnöder technischer Defekt sein, oft genug aber auch nur ein spezieller Anwendungsfall, den der Hersteller bei der Entwicklung seines Produktes einfach nicht vorgesehen hatte - beispielsweise die Verbindung zweier Geräte mit inkompatiblen Schnittstellen. In der Rolle eines universellen Problemlösers für beide Szenarien blickt Audio-Service aus Hamburg mittlerweile auf eine mehr als 30-jährige Firmengeschichte zurück - als Servicepartner für die meisten bekannten Namen der professionellen Audio-Industrie von AMS-Neve bis Yamaha, aber auch als Entwickler zahlreicher eigener Produkte, Modifikationen und Anpassungslösungen. Die Audiotechnik hat bekanntlich in den vergangenen beiden Jahrzehnten eine stürmische Entwicklung durchlaufen. Sie spiegelt sich in immer wieder neuen Aufgabenstellungen und Herausforderungen für das Unternehmen, das den Dienst am Kunden bereits in seinem Namen festgeschrieben hat...
Die wilden 80er
Audio-Service wurde im Jahre 1983 von Ulrich Schierbecker in Hamburg gegründet. Zunächst beschäftigte man sich ausschließlich mit Wartungs- und Reparaturdienstleistungen im Bereich Musikelektronik und Tonstudio- sowie Veranstaltungstechnik. Bereits ein Jahr nach der Firmengründung wurde mit der Yamaha Europa GmbH ein Servicevertrag für Garantie- und Nachgarantie-Service abgeschlossen. Es war die große Zeit der analogen Mischpulte und Mehrspurmaschinen (24 Spuren auf 2"-Band), die bekanntlich regelmäßig durchgesehen und eingemessen werden wollten - folgerichtig lag einer der Schwerpunkte für Audio-Service damals auf mobilem Vor-Ort-Service, Einmessarbeiten und Mischpultwartung in den Studios. Auch einige Equipment-Verleiher im Rock'n Roll-Bereich zählten zum Kundenstamm. Zu den wenigen Audiogeräten, die bereits in den 80er Jahren mit digitaler Technik arbeiteten, gehörten einerseits digitale Effektprozessoren wie das Lexicon 224 oder das Yamaha SPX 90 und andererseits Synthesizer und Tonerzeuger wie der berühmte DX-7 und der D50. Alle diese Geräte waren digitale "Inseln", die mit der Außenwelt nach wie vor auf analogem Wege korrespondierten - digitale Audio-Schnittstellen waren noch kaum gebräuchlich.
Die Entwicklung der preiswerteren analogen Mehrspurmaschinen von Fostex, Tascam und anderen sowie des MIDI-Equipments führte schnell zur Etablierung zahlreicher Projektstudios mit einfacherer technischer Ausstattung, die den Top-Adressen der Studioszene zunehmend Vorproduktionen und Projekte mit niedrigen Budgets streitig machten. Für Audio-Service hatte das zur Folge, dass die Nachfrage nach Vor-Ort-Service nachließ und reparaturbedürftige Geräte aus Kostengründen zunehmend in die Werkstatt verbracht wurden. Zum Kundenkreis zählten zunehmend auch kleinere Verleihfirmen sowie Clubs mit eigenen Beschallungssystemen.
Digitalisierung und Demokratisierung
Die Audiowelt der 90er Jahre war von der allgemeinen Digitalisierung gekennzeichnet, die sich natürlich auch auf das Angebotsprofil von Audio-Service auswirkte. Ab 1990 begann man mit eigenen technischen Entwicklungen, zu denen beispielsweise bereits ein AES/EBU-Interface für einen Synthesizer sowie ein Formatkonverter zählten. Audio-Service wurde 1991 in eine GmbH umgewandelt; der langjährige Mitarbeiter Randolf Muhl trat als Gesellschafter ein. In der Audioproduktion etablierten sich die ersten rechnergestützten Schnittsysteme, und preiswerte digitale Achtspur-Recorder leiteten eine tiefgreifende "Demokratisierung" der Tonstudiotechnik ein. Die in den Jahren zuvor entstandenen Projektstudios wurden zunehmend digitalisiert, woraus sich natürlich vielfältige Verbindungs- und Verständnisprobleme zwischen den unterschiedlichen Schnittstellen ergaben. Audio-Service wurde seinem Ruf als Problemlöser durch diverse Produkt-Modifikationen, Formatkonverter und ähnliche digitale "Verständigungshilfen" gerecht. Hohe Investitionen in den Messgerätepark wurden erforderlich; Einmessungen und Reparaturen analoger Geräte waren dagegen weit weniger gefragt als bisher. Die Qualität der elektronischen Bauteile wurde immer höher - leider nicht die der damit produzierten Sounds...
Millennium
In den ersten Jahren des neuen Jahrtausends registriert die gesamte Branche einen rasanten Preisverfall bei den Investitionsgütern und natürlich auch bei den damit verbundenen Dienstleistungen - preiswerte digitale Audio-Workstations ersetzen analoge und digitale Mehrspur-Bandmaschinen, und kompakte Digitalkonsolen treten im Studio- und zunehmend auch im Beschallungsbereich oftmals an die Stelle großer Analogmischpulte. "Lieber entsorgen als reparieren" heißt leider immer öfter die Devise.
Aktuell verzeichnet Audio-Service nach Jahren der Stagnation wieder einen steigenden Bedarf an Serviceleistungen. Problemlösungen und Know-How sind wieder gefragt; vereinzelt werden sogar "Mobilitätsverträge" für professionell genutzte Audiogeräte abgeschlossen. Selbst die analoge Audiotechnik wird wieder lebendig - Vintage-Equipment erfreut sich stetig wachsender Beliebtheit.
Heute
Audio-Service betreut heute die gesamte analoge und digitale Audiowelt mit Service-Dienstleistungen und Eigenentwicklungen. Zu den wichtigsten Entwicklungen in letzter Zeit zählt das "Fibre Road System", mit dem das Hamburger Unternehmen einen interessanten Beitrag zum Ersatz des Multicores in der Veranstaltungstechnik liefert (siehe Kasten). Audio-Service beschäftigt acht Techniker, zwei Administratoren, eine Buchhalterin und zwei Auszubildende, die den Beruf des Informationselektronikers erlernen. Auf einer Fläche von 650 Quadratmetern werden Geräte repariert, modifiziert und eigene Produkte hergestellt. Ein umfangreiches Ersatzteil- und Materiallager hilft dabei, schnell auf die Wünsche des Kunden reagieren zu können. Das über die Jahre gewachsene Wissen und die Erfahrung aus einer mittlerweile sechsstelligen Anzahl an Reparaturaufträgen, die in einer umfassenden Datenbank erfasst sind, bilden eine wertvolle Basis für die weitere Unternehmensentwicklung. Die Geschäftsgrundlage als Service-Dienstleister und Hersteller von Nischenprodukten und Speziallösungen jedenfalls scheint langfristig gesichert zu sein - defekte und unvollständig ausgestattete Audiogeräte werden so schnell nicht von der Bildfläche verschwinden...